Benutzer:Goronagee/Labor: Unterschied zwischen den Versionen

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===[[Memoiren_eines_Lichtträgers#Zukunft|Zukunft]]===
 
===[[Memoiren_eines_Lichtträgers#Zukunft|Zukunft]]===
 
===[[Memoiren_eines_Lichtträgers#Gegenwart_Part_1|Gegenwart Part 1]]===
 
===[[Memoiren_eines_Lichtträgers#Gegenwart_Part_1|Gegenwart Part 1]]===
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===Gegenwart Part 2===
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Der Grenzübertritt war Dank [[Ator Gilla|Ator]]s Connections kein größeres Problem. Wir konnten sogar unsere Ausrüstung ohne Probleme transportieren, da er irgendeinen Deal hatte, der es ihm erlaubte, mit seinem Ares Dragon die Grenze zu passieren.<br>
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Wir hatten alles in Wanderrucksäcke verpackt, und es gelang uns, den Patrouillen des [[Salish-Shidhe Council]] auszuweichen, die ausgeschickt worden waren, um allzu neugierige und unbedarfte Wanderer und Schaulustige vom Vulkan fernzuhalten. Zwei Mal musste uns Ator mit einem Unsichtbarkeitszauber vor überfliegenden Drohnen verbergen, aber nun standen wir am Eingang zu den Höhlen, die sich bei dem Ausbruch von 2017 gebildet hatten.<br>
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“Ob ihr es glaubt oder nicht”, bemerkte der Schamane verwundert, “aber aus diesen Höhlen sickert [[Mana]].” Ator hatte auf Astralsicht gewechselt, um einen Eindruck der Astralebene zu erhalten und eventuell patrouillierende Geister aufzuspüren. “Aber sonst ist es hier verhältnismäßig ruhig. Ich hätte mehr erwartet. Lasst uns dem Mana folgen.”<br>
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Da niemand von uns einen besseren Vorschlag hatte, überließen wir Ator die Führung und begaben uns in den Berg.<br>
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Wenige Meter hinter dem Höhleneingang holten wir unsere Ausrüstung aus den Rucksäcken und machten uns gefechtsbereit. [[Jack "The Muss"|Jack]] legte seine Sicherheitspanzerung an und machte seine [[Panther Sturmkanone|Panther]] feuerbereit, während der Rest von uns Panzerjacken und deutlich kleinere Kaliber bevorzugte.<br>
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“Alter”, keuchte [[John Doe|JD]] im Bemühen, nicht ins Straucheln zu kommen. “Nach unserem [[Memoiren_eines_Lichtträgers#Geist|Ausflug an den Amazonas]] hättest du deine Panzerung ruhig mal reinigen können!”, er war derjenige, der aussprach, was jedem von uns durch den Kopf ging, nachdem wir der olfaktorischen Folter zum Opfer gefallen waren, die von Jack ausging. Jacks Antwort bestand nur aus dem erhobenen Mittelfinger der linken Hand.<br>
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Wahrscheinlich wären wir Stunden durch die Höhlen geirrt, wäre Ator nicht der Spur des Manas gefolgt, die uns schließlich zu einer scheinbar natürlich entstandenen Felsbrücke über einem mehrere hundert Meter tiefen Abgrund führte. Heiße Winde schlugen uns entgegen, und ein Blick in den Abgrund offenbarte einen Lavastrom, der dort unten träge floß. Ator ließ sich nicht beirren und setzte seinen Weg fort. Da die “Brücke” nur einen knappen Meter breit und ohne Geländer geliefert worden war, blieb uns nichts anderes übrig, als sie brav hintereinander zu passieren. Ator ging, gefolgt von mir, voran, dann kam JD, und Jack bildete den Abschluss.<br>
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Wir waren vielleicht 10 Meter weit gekommen, als uns Getrampel hinter uns herumfahren ließ. Während JD und ich fast zeitgleich unsere Drehung vollendeten und eine rötlich-metallen glänzende, haarlose Kreatur auf Jack zurasen sahen, schien dieser deutliche Schwierigkeiten zu haben, mit der Panther im Anschlag seinen Körper die notwendigen 180° rotieren zu lassen. Fast wirkte es, als bewegte er sich in Zeitlupe. Das Viech erreichte ihn, als er dreiviertel des Weges zurückgelegt hatte und schlug mit seiner Pranke, die nur unwesentlich kleiner war, als das, was Jack seine Hand nannte, nach dem Troll. Die Wucht des Schlages ließ ihn taumeln, und er musste mit beiden Händen Halt im Felsen suchen, um nicht in den Abgrund zu segeln.<br>
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Nicht gut für das mit Hörnern auf dem Kopf versehene Viech. Die zuvor durch Jack verstellte Schußbahn wurde so frei. Mit zwei Kugeln in die Brust, gefolgt von einer Salve aus meiner UrbanCombat, stoppten JD und ich den Angriff des häßlichen Monsters. Der Körper klappte zusammen und wurde von seinem verbleibenden Schwung über den Rand der Brücke getrieben. Schlaff trudelte der gegen das Licht der glühenden Lava weit unter uns dunkel scheinende Körper in die Tiefe, bis er im grellroten Kontrast unsichtbar wurde. Jack richtete sich auf und stellte zufrieden fest, daß die Panther noch an seinem Schultergurt hing.<br>
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“Netter Versuch, Monster!” Er zog hoch und spuckte dem Wesen noch einen ziemlich ekligen letzten Trollgruß hinterher.<br>
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“Immerhin hat es gereicht, uns die Klingel drücken zu lassen” zischte Ator verärgert. “Oder glaubt ihr, die Schüsse sind überhört worden?”<br>
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“Mach mal halblang, Ator”, wagte ich den Versuch, ihn zu beruhigen. “Was hätten wir denn tun sollen?” Auch wenn ich wusste, daß unsere Reaktion sicherlich nicht unbemerkt geblieben war, hätte ich immer wieder so reagiert, denn das Risiko, einen von uns an den Lavastrom zu verlieren, war mir in jedem Fall zu groß.<br>
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Ator ließ es darauf beruhen, und wir erreichten ohne weitere Konversation oder Unterbrechungen die andere Seite der Brücke.<br>
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Waren die Höhlen, durch die wir bisher gegangen waren, eindeutig natürlicher Herkunft, so schien sich hier jemand die Mühe gemacht zu haben, einen schlauchartigen Gang anzulegen, dessen Wände eine edelsteinartige Oberfläche aufwiesen.<br>
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“Ich bin mir ziemlich sicher, daß dieser Gang mittels Magie in den Fels getrieben wurde”, gab Ator seine Erkenntnisse zum Besten. “Hier ist ein sehr mächtiger [[Hüter]] eingewoben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jenseits des Eingangs noch Geister beschwören kann. Jedenfalls blockiert der Hüter meine astralen Sinne. Vielleicht sollte jemand von euch vorgehen.” Er sah uns fragend an.<br>
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JD und ich wechselten einen kurzen Blick, aber wir waren uns einig, daß wir keinesfalls Jack vorgehen lassen wollten.<br>
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Nach kurzer Kalkulation entschied ich mich. “Okay, ich gehe vor. Jack, du schützt Ator, sollte es Probleme geben, und JD macht die Nachhut. Einwände?”<br>
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“Immer muss ich den Babysitter machen, [[Silencio]]. Irgendwie finde ich das nicht fair”, maulte Jack.<br>
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“Noch so’n Spruch und ich schick dich dem Viech hinterher”, empörte sich Ator mit mühsam unterdrückter Wut.<br>
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“Hey, kommt mal wieder runter” mischte ich mich ein. “Am Ende wollen wir das hier alle nur heil überstehen. Jack, wenn du ‘n Problem mit meiner taktischen Einteilung hast, können wir das gern ein anderes Mal diskutieren.” Ich hatte echt keinen Nerv, hier und jetzt mit unserem Riesenbaby eine Grundsatzdiskussion zu beginnen.<br>
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“Wir sind alle ganz schön angespannt”, versuchte JD, die Situation zu beruhigen.”Vielleicht gehen wir einfach weiter und unsere Probleme lösen sich von ganz allein.”<br>
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Wir folgten also dem Tunnel, der schließlich leicht bergauf führte, um dann unerwartet in einem großen Raum zu enden. Die bestimmt fünf Meter hohen Wände und Decken wirkten wie aus Marmor, durchsetzt mit feinen Goldadern.  Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, etwa sechs Meter entfernt, sahen wir eine hohe aus Bronze und geschwärztem Metall gefertigte Tür und davor eine Vierergruppe bekleideter [[Waldteufel]].<br>
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So langsam kam ich mir wie in einem schlechten Fantasy-SIM vor.<br>
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Tatsächlich unterschied sich die Bekleidung der vier nur in der Farbgebung. Zwei von ihnen, “Smaragdgrün” und “Grau” hielten Tabletts mit Erbeeren und irgendeinem Prickelwasser, während die anderen beiden, “Türkis” und “Braun”, uns mit leeren Händen, aber breit grinsend begrüßten.<br>
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“Bereitet haben wir Getränke von feinem Champagner und Geschmack von erlesenen Erdbeeren für unsere Gäste”, sprach Braun uns mit einem mir unbekannten Akzent an. “Willkommen in [[Althain]]. Kommen Sie, mein Herr erwartet Sie im Inneren.”<br>
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Profi hin oder her, jetzt klappte meine Kinnlade runter.<br>
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Jack schob sich an mir vorbei und griff nach einem der Champagnergläser.<br>
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“Mach den Mund zu und genieß es einfach!”, kicherte Ator nun ebenfalls grinsend.<br>
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“Die Gläser sind zwar zu klein, aber die Brause fetzt!” Jack hatte drei der Gläser bereits geleert und rülpste ungeniert beim Sprechen.<br>
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“Halt dich ein bischen zurück, Großer!” JD kam mir mit der Ermahnung um eine Sekunde zuvor. “Es gibt vielleicht doch noch was für dich zu tun.”<br>
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Entweder hatten die anderen keine Ahnung, oder es interessierte sie einfach nicht, daß wir hier gerade von einer Gruppe Hominider auf Primatenniveau mit Champagner und warmen Worten begrüßt wurden.<br>
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Ich straffte mich und versuchte, energisch auszusehen. “Okay, ich weiß zwar nicht, wer euer Herr ist, aber wir sind hier, um nach dem Rechten zu schauen.” Währenddessen schaute ich von einem der Waldteufel zum nächsten, da ich ja nicht wußte, wer der vier der Wortführer sein würde.<br>
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“Dann folgt mir!” erwiderte Braun und drehte sich um. Während er die offenbar sehr massive Tür langsam öffnete, bot Türkis an, unsere Mäntel zu nehmen, die wir sicher hier nicht bräuchten. Wir lehnten dankend ab. Und ich wunderte mich ein wenig, daß wir nicht gebeten wurden, unsere offen getragenen Waffen abzugeben. Es schien so, als würden diese von den Waldteufeln komplett ignoriert.<br>
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Die Tür führte in ein großes Foyer mit einer nach oben führenden Wendeltreppe. Aus Deckenfenstern schien Tageslicht in den Raum zu fallen, was seltsam war, denn meiner Einschätzung nach sollten wir uns nach wie vor tief im Inneren des {{WP|Mount_St._Helens|Mount St.Helens}} befinden.<br>
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Der gesamte Raum war altertümlich eingerichtet. An den Wänden hingen Gemälde von Personen aus einer anderen Zeit, und auf mehreren kleineren Säulen standen filigrane Kunstobjekte.<br>
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Ator gab ein leise pfeifendes Geräusch von sich.<br>
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Eine doppelflüglige, goldverzierte, weiße Tür direkt uns gegenüber schien das Ziel von Braun zu sein, der weiter voranschritt, während die anderen drei hinter uns blieben. Dies verleitete Jack immer wieder, einen Blick über die Schulter zu werfen. Offensichtlich traute er den Waldteufeln nicht.<br>
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Hinter der Tür schloß sich ein kurzer Flur an, der links und rechts jeweils eine Tür aufwies und nach wenigen Metern an einer weiteren Tür endete. Grauer Marmor diesmal, aber ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, daß die Gemälde, die auch hier an den Wänden hingen, für den einen oder anderen feuchten Traum eines Kurators würden sorgen können.<br>
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Braun öffnete eine der seitlichen Türen und bat uns einzutreten. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Schwarze und weiße Möbel modernster Machart, eine gut bestückte Snack- und Getränkebar, sowie ein Audio-Video-System, das keine Wünsche offen ließ, hießen uns willkommen zurück im 21. Jahrhundert.<br>
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“Mein Herr ist im Moment verhindert und bittet Sie zu warten, bis er es nicht mehr ist.” entschuldigte sich Braun bei uns, bevor er sich aus dem Raum zurückzog.<br>
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Ziemlich verdutzt nahmen wir Platz und bemerkten erst dann die Anwesenheit von Grau, der uns nun ansprach: “Ich bin ihr Diener. Was sind ihre Wünsche?”<br>
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Ich schaute Ator fragend an. “Haben wir irgendwelche Wünsche? Und wieso grinst du die ganze Zeit so?”<br>
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“Hmm…” Ators Stimmung schien durch nichts getrübt werden zu können. “Wünsche hätte ich ne Menge, aber ich glaub' nicht, daß diese Burschen hier die richtigen sind. Laßt uns den Kleinen einfach ignorieren. Ich glaube sie sind eh nur dafür da uns zu blenden, bzw. aufzuhalten.”<br>
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“Wie meinste das denn jetzt?”, fragte Jack, der gerade damit beschäftigt war, eine Pfundpackung Erdnüsse zu zerkauen. Seine Panther hatte er zwar nicht abgestellt, aber er schien den Waldteufel nicht für eine ernsthafte Bedrohung zu halten.<br>
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“Naja”, er räusperte sich, “ich meine, hier drin wird ne Menge Hokuspokus veranstaltet und zwar sinnbildlich wie wörtlich gesprochen. Der [[Astralraum]] hier ist so dicht, daß mir selbst astrale Wahrnehmung schwer fällt. Und das ganze Ambiente hier ist doch ein Durcheinander verschiedener Stile, die eindeutig vor unser aller Geburt in Mode waren. Dazu die vier Dudes hier”, er deutete lässig mit dem Daumen auf Grau, “die aussehen, als wären sie einem Fantasytrid entsprungen.” Endlich sprach mal einer aus, was mir die ganze Zeit schon durch die Birne ging.<br>
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“Okay” warf ich ein, “aber das erklärt nicht dein Gegrinse.” Ich warf einen Blick auf Grau, der unserem Gespräch nur bedingt zu folgen schien und den Eindruck machte, darauf zu warten, endlich einen unserer Wünsche zu erfüllen.<br>
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“Also ich glaub ja, das is' 'ne reine Übersprungshandlung von Ator.” JD konnte sich diese eine Spitze nicht verkneifen. “Wenn ich das richtig sehe, hat Mr. Almighty Alligator die Hosen gestrichen voll. Spätestens seit wir vorhin diesen [[Harlekin]]-Kaspar getroffen haben.”<br>
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Der so Verhöhnte drehte sich zu dem Ork um und fixierte ihn. “Auch wenn du dafür eigentlich eins in die Fresse verdienst, JD, hast du nicht ganz unrecht. Ich werd das Gefühl nicht los, daß wir hier verarscht werden und am Ende selbst gar nichts ausrichten können.” Er räusperte sich erneut. “Mal im Ernst, vor ein paar Stunden dieses vermeintliche Ritual, dann ein Vulkanausbruch und jetzt ein geheimes Refugium mit Fantasytridwächtern im Mount St. Helens. Was jetzt eigentlich nur noch fehlt, ist so'n feuerspeiender Drache, der aus seinem tausendjährigen Schlaf erwacht.” Im Nachhinein schien das einer dieser prophetischen Momente unseres Schamanen gewesen zu sein, für die wir ihn zugleich hassten und liebten. Und es wäre mir durchaus lieb gewesen, wenn er sich dieses eine Mal doch geirrt hätte.<br>
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“Schön”, seufzte ich, “letzteres wollen wir mal nicht hoffen. Aber was machen wir jetzt und wieso zeigen diese Jungs hier kein Interesse an unseren Waffen?” Mein fragender Blick in die Runde blieb unbeantwortet.
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====Timecode 25.01.2054 / 13:20:00====
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Nachdem wir uns entschlossen hatten, zunächst einmal abzuwarten, hatte auch ich mir ein Bier gegönnt. Jack hatte die Erdnüsse mit einer Zweiliterflasche Cola runtergespült und JD sich ein Wasser genommen. Nur Ator schien kein Interesse an einer Erfrischung zu haben, obgleich ihn die Hitze im Berg nahe dem Lavastrom ähnlich mitgenommen haben musste wie den Rest von uns.<br>
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Grau blieb die ganze Zeit über an Ort und Stelle wie ein unaufdringlicher Diener, der nur darauf wartet, seinem Herrn einen Wunsch erfüllen zu können.<br>
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Nach einer halben Stunde, in der sich absolut nichts tat, riß mir der Geduldsfaden.<br>
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“Hey, was ist jetzt mit deinem Herrn? Wir sind nicht zum Rumsitzen her gekommen”, fuhr ich den mit nur neunzig Zentimetern Körpergröße selbst im Vergleich zu mir kleinen Waldteufel an.<br>
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“Ich weiß es nicht, aber ich werde nachschauen gehen, wenn ihr es wünscht”, antwortete Grau dienstbeflissen.<br>
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“Ja, wünschen wir”, fuhr ich ihn unwirsch an.<br>
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“Genau, schwing die Hufe” grölte Jack dazwischen. “Und am Besten bringst du uns gleich zu ihm.” Er wurde offensichtlich nun auch etwas zappelig.<br>
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“Einen Moment.” Grau verbeugte sich und verließ den Raum.<br>
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“Vielleicht sollten wir ihm einfach folgen”, schlug Ator vor und war schon an der Tür, bevor ich etwas erwidern konnte.<br>
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Wir folgten Grau durch den Korridor in eine Halle, die nochmal ein gutes Stück größer als das Foyer, aber ebenso wie dieses mit Kunstwerken unterschiedlichster Herkunft ausgestattet war. Besonders ins Auge fiel ein riesiger Wandteppich, der eine Stadt aus Kristall und Gold darstellte und sich nahezu über die gesamte unserem Eingang gegenüberliegende Wand zog.<br>
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Im Stillen registrierte ich drei weitere Türen und zwei Durchgänge.<br>
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Wie groß war diese Anlage eigentlich? Und wie hatte jemand das alles errichten können, ohne Aufsehen zu erregen?<br>
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Wir folgten Grau durch den rechten der beiden Durchgänge und gelangten über einige Stufen zu einer weiteren Halle. Diese war bestimmt noch einmal doppelt so groß wie jene, durch die wir gerade hindurch waren. Der gleiche helle Marmor kleidete die Wände, war aber scheinbar von mehr Goldadern durchzogen. Von der Decke hing in etwa zehn Metern Höhe ein riesiger Kronleuchter aus Gold und Kristall, und ein über zwei Treppen erreichbarer Balkon mit nur kniehohem, aber reich verziertem Geländer, fiel mir sofort ins Auge.<br>
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Die Wände waren mit zahlreichen Nischen versehen, in denen scheinbar lebensgroße Statuen verschiedener Personen und mythologischer Wesen aus schwarzem und grauen Marmor standen. Eine davon fiel mir auf, erinnerte sie mich doch stark an unseren Auftraggeber, was aber möglicherweise auch nur an der Gleichartigkeit der Gesichtsbemalung lag.<br>
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Der Boden schien aus poliertem Marmor mit dunklen Intarsien zu bestehen. In der Mitte des Raumes befand sich exakt das, was ich mir unter einem [[Ritualkreis]] vorstellte. Ein Achteck aus Silber und dunklem Metall, versehen mit verschiedensten Symbolen und Schriftzeichen. Im Zentrum des Achtecks lag eine umgestoßene Feuerschale mit ehemals glühenden Kohlestücken. Daneben ein Elf, auf dem Rücken liegend, gehüllt in eine weiße Tunika, Hose und schwarze Lederstiefel, mit offenen, aber blicklosen Augen: [[Ehran]]?<br>
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“Ator?” Ich brauchte eine Bestätigung, daß hier kein magischer Hokuspokus mehr lief, bevor ich bereit war, mich der liegenden Gestalt zu nähern.<br>
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“Hier ist alles ruhig. Selbst die [[Hintergrundstrahlung]] ist hier geringer als im Rest der Anlage. Seltsam eigentlich…” antwortete Ator mit einem leichten Zögern in der Stimme.<br>
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“Wie es aussieht, kommen wir zu spät!”, stellte JD fest, der mit wenigen Schritten zu dem offensichtlich toten Elf geeilt war. “Keine Lebenszeichen.”<br>
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“Irgendwas stimmt hier nicht. Bei dem, was hier abgegangen ist, müsste ich etwas spüren können.” Ator schien sichtlich beunruhigt. Plötzlich weiteten sich seine Augen, und ich folgte seinem Blick.<br>
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In der Tür, durch die wir gerade gekommen waren, stand Harlekin, unser Auftraggeber. In sichtlich düsterer Stimmung und ohne uns eines Blickes oder Wortes zu würdigen, ging er an uns vorbei direkt zu dem leblosen Elf. Nach kurzer Betrachtung kniete er sich nieder und legte seine linke Hand auf den Kopf des Toten. Nach unendlichen Sekunden des Schweigens sprach er uns an: “Er ist, wie ihr ihn gefunden habt?”<br>
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Ein stummes Nicken unsererseits ließ ihn wieder verstummen. Dann erhob er sich, legte den Kopf in den Nacken und schrie. Ich kann bis heute nicht sagen, was er schrie, aber es klang nach einer Mischung aus Frustration, Wut und Trauer. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und die Knöchel traten weiß hervor.<br>
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Ich schaute zu Ator. Irgendwie hatte ich die Sorge, Harlekin würde in seinem momentanen Gefühlschaos die Kontrolle verlieren und hier gleich alles in Schutt und Asche legen. Nicht daß ich eine Idee hätte, wie dies durch uns zu verhindern sei, aber ich wollte bereit sein.<br>
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Ator bedeutete mir jedoch lediglich, die Ruhe zu bewahren, als plötzlich Braun in der Halle erschien. Eiligen Schrittes näherte er sich der leblosen Gestalt zu unseren Füßen.<br> “Meister, es kamen Männer aus dem [[Tír_Tairngire|Land der Verheißung]]. Sie warten im modernen Raum auf euch.” Anscheinend den Zustand seines Meisters komplett ignorierend, verschwand Braun auf demselben Wege, auf dem er gekommen war.<br>
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Harlekin starrte Braun kurz hinterher und begann leicht zu lächeln: “Nun, für den Versuch hat er einen Punkt verdient.” Er wandte sich uns zu. “Es sind wahrscheinlich Schläger von Ehran. Kümmert euch drum!”<br>
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“Silencio, entweder du klärst den Grashalmknicker jetzt mal auf, was Sache ist – oder ich mach das!”, platzte es aus Jack heraus, der seine Panther nun ohne das geringste Zittern auf Harlekin ausrichtete. Harlekin jedoch schien dieser Ausbruch in keinster Weise zu interessieren. Er hob nur die rechte Augenbraue und sah mich fragend an.<br>
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“Tja, Harlekin”, ich kratzte mich am Hals, “was mein Chummer zum Ausdruck bringen will und was auch mir unter den Nägeln brennt: Erstens, wir sind noch nicht bezahlt worden. Zweitens, wir lassen uns nicht gern drohen. Und wir haben absolut keinen Bock, für lau die Marionetten von dir oder sonstwem zu sein. Was also sollte uns davon abhalten, dich wegzupusten, uns hier unter den Nagel zu reißen, was wir kriegen können und nen Abflug zu machen?”<br>
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“Selbst wenn ich dies zuließe, würdet ihr nicht weit kommen”, war Harlekins lapidare Antwort, bevor er sich wieder dem leblosen Körper zuwandte. “Ich frage mich…”, begann er ruhig.<br>
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Weiter kam er nicht, denn die Tür zur großen Halle schwang plötzlich auf, und ein in uralte Duellkleidung gekleideter sowie mit zwei Rapieren bewaffneter Elf tauchte in der Öffnung auf: '''Ehran'''!<br>
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Er betrat den Raum und sagte etwas, das wie:”Te meravilhas, Har’lea’quinn? Que’t destrui e’t coton?” klang. Harlekin reagierte darauf mit einem lauten, freudlosen Lachen.<br>
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“Ich frage mich, ob dein Geist genauso tot ist wie dieses Faksimile hier, Eh’he’ran. Diese verdammte Sprache ist es ganz sicher. Sollen wir es herausfinden?” Harlekin griff sich ans Ohr und entfernte es, um es scheppernd zu Boden fallen zu lassen. “Wenn es beendet werden soll, dann so, wie es begonnen hat. Du”, er deutete auf Jack,”bist Ehrans Sekundant und du, Freund der Stille”, er deutete auf mich,”hast die Ehre, der meine zu sein.” Ich fühlte mich etwas in meiner Souveränität eingeschränkt, denn ich hatte nirgendwo eine Nachfrage, ob ich damit einverstanden war, gehört.<br>
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Ehran deutete dem verdutzten Jack, etwa einen Meter hinter ihm in Position zu gehen.<br>
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“Ihr habt echt 'ne Vollmeise, wenn ihr glaubt, ich mach hier 'nen anderen als den Abzugsfinger krumm, solange ich nicht bezahlt worden bin!”, stellte Jack sich stur.<br>
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Bevor ich etwas erwidern konnte, mischte sich Ator ein, der wieder diese seltsame grünliche, echsenhafte Hautfarbe bekommen hatte: “Jack, Silencio… auch wenn es mir nicht gefällt, glaube ich, im Moment ist es das Beste, wir folgen einfach ihren Anweisungen.”<br>
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Etwas verunsichert schaute ich Ator fragend an, doch er schien alles gesagt zu haben.<br>
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Ein Blick zu JD zeigte mir, daß er seinen [[Ares Predator|Predator]] zwischen den beiden Elfen hin- und herwandern ließ, offensichtlich nicht bereit, eine Entscheidung zu treffen. Ich steckte die UrbanCombat ein. “Okay, Jack, mach’s einfach!”<br>
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“Aber Silencio….wir sind in der Überzahl, wir sind besser bewaffnet…” versuchte Jack zu feilschen.<br>
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Ein strenger Blick der beiden Elfen ließ ihn verstummen und er nahm die ihm zugewiesene Position ein.<br>
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“So sei es!”, rief Ehran und warf Harlekin eines der beiden Rapiere zu, welches dieser geschickt aus der Luft fing, um es grüßend vors Gesicht zu halten.<br>
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“Sie sollten gehen.” Harlekin sah Ator und JD an. “Ihre Verwicklung in die Geschehnisse ist zu Ende!”<br>
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Ator schüttelte verneinend den Kopf. “Wir gehen gemeinsam”, er zögerte eine Millisekunde, “oder gar nicht!”<br>
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Die beiden Elfen nahmen eine klassische Fechtpose ein, zumindest erschien es mir so, und näherten sich einander.<br>
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“Ich denke, ich nehme das andere auch noch”, sagte Ehran mit spöttischem Unterton in der Stimme, während er das Rapier zweimal zischend durch die Luft schwingen ließen.<br>
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Harlekins Antwort bestand aus einem Lachen und einem plötzlichen Ausfall.<br>
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Was nun folgte, war eine Lehrstunde in Fechtkunst. Die beiden Kontrahenten nahmen sich offensichtlich nichts und waren beide Meister in dieser Waffengattung. Der Kampf führte beide durch den gesamten Raum, wobei sie keinerlei Rücksicht auf Einrichtungsgegenstände oder Personen nahmen. Schließlich erschien eine Kugel aus goldenem Licht um die beiden herum, welches diese aber in keinster Weise zu beeinflussen schien. Sie setzten ihren Kampf die Treppe hinauf auf den Balkon fort. Dort gelang es schließlich Harlekin, mit einer Reihe von Attacken und Finten Ehran in die Enge zu treiben. Mit einem überraschenden Hieb trennte er Ehran das linke Ohr ab, ging zwei Schritte zurück und hielt das Rapier, wohl als Zeichen des Endes des Kampfes, abermals vor sein Gesicht.<br>
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Schreiend vor Schmerz und Wut griff Ehran an seinen blutenden Kopf, während Harlekin vor Freude lachte.<br>
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“Du hast nicht gewonnen! Wir sind lediglich im Gleichstand!”, versuchte der Verletzte seine Ehre zu verteidigen.<br>
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Harlekin sparte sich jedes weitere Wort. Er wandte sich Ehran zu, verbeugte sich einmal kurz und schien ihm einen Kuß zuzuhauchen, warf Ator das Rapier zu und trat einen Schritt zurück.<br>
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Dann geschah etwas, was weder Ator noch sonst jemand von uns erwartet hatte und eigentlich unmöglich sein sollte: Harlekins Aussehen veränderte sich, als würden wir ihn alle durch ein Prisma betrachten – und dann verschwand er einfach.<br>
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Ehran heulte erneut auf, ob aus Wut oder Schmerz, konnte ich nicht sagen und verschwand dann auf gleiche Art und Weise.<br>
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Wir brauchten alle ein paar Sekunden, um das gerade Erlebte zu verarbeiten. Dann war es Ator, der als erster die Worte wieder fand.<br>
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“Also… wenn ich das richtig sehe, sind wir gerade bezahlt worden.” Beinah andächtig sprach er diese Worte, während er den kunstvoll mit Edelsteinen besetzten Griff des Rapiers begutachtete.<br>
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Plötzlich vernahmen wir alle ein dumpfes Rumpeln und spürten ein leichtes Zittern des Untergrundes.<br>
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“Und vielleicht sollten wir jetzt zusehen, daß wir hier wegkommen”, fügte er deutlich nüchterner hinzu. “Ich weiß zwar nicht genau, was hier abgegangen ist, aber ich glaube, es hat beide einiges an Konzentration gekostet, und einige von Ehrans aufrechterhaltenen Zaubern sind den Bach runter.” Sein Gesicht zeigte wieder diesen besorgten Ausdruck, der gemeinhin zu Vorsicht oder Eile mahnte. Diesmal schien Eile der größere Faktor zu sein.<br>
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“Dann lasst uns schnell Land gewinnen. Ich hab' keine Lust, am Ende doch noch von diesem Vulkan gegrillt zu werden”, gab ich meine Zustimmung.<br>
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Wir verließen eiligst die große Halle, als vor uns ein Geräusch erklang, dass mich an eine Abrissbirne erinnerte, die ihren Job macht.<br>
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Wir erreichten die kleinere Halle, durch die wir gekommen waren, genau in dem Moment, als die Ursache der Geräusche sichtbar wurde. Der Kopf eines [[Westliche_Drachen|westlichen Drachen]] reckte sich von unten durch den Hallenboden.<br>
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Ich zögerte. Mir war klar, daß unsere Chancen, hier heil und ohne Grillaroma herauszukommen, durch diese unerwartete Wendung der Situation mit jeder verstreichenden Millisekunde dramatisch schrumpften, und meine sich auf der Suche nach einem Ausweg überschlagenden Gedanken wurden von einer dumpfen Wolke beginnender Panik überlagert.<br>
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An diesem Punkt zeigte sich, daß man sich manchmal auch zu viele Gedanken machen kann. Dieses Problem hatte unser Troll fürs Grobe ja nun beileibe noch nie gehabt, und dieser Umstand sollte uns das Leben retten.<br>
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Während ich noch mit dem Bild beschäftigt war, daß Ator unseren Barbecue-Tod ziemlich exakt vorausgeahnt hatte, drängte sich Jack einfach an mir vorbei, rammte dem Drachen die Pantherkanone direkt zwischen die Augen und drückte ab. Begleitet von einem dröhnenden Wummern verteilten sich Schädelsplitter und Gehirnmasse des bereits auf Leistung schaltenden Drachen durch den Raum. Der riesige Körper des Schuppentieres verschwand wieder in der Öffnung des Bodens, aus dem er erst wenige Sekunden zuvor hervorgebrochen war. Dann überschlugen sich die Ereignisse noch schneller.<br>
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Eine Tür wurde von unbekannten Elfen aufgerissen.<br>
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Ator wirkte einen Zauber.<br>
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JD feuerte auf die Elfen, die zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt auftauchten. Ehrans Schläger, hatte Harlekin behauptet. Garantiert nicht unsere Freunde, hieß das. Also taten wir, was zu tun war.<br>
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Ich schloß mich JD an und feuerte zwei Salven in Richtung der Neuankömmlinge.<br>
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Ators Zauber nahm in Form eines Feuerballs inmitten der Elfen Gestalt an und bereitete ihnen ein endgültiges heißes, unangenehm nach Brand stinkendes Ende.<br>
 +
Wir nahmen uns nicht die Zeit, sie näher zu untersuchen. Wir hatten hier nichts mehr verloren, waren bezahlt worden und wollten nun nur noch unsere Haut retten. Wer konnte schon sagen, was für Überraschungen hier noch auf uns warteten.<br>
 +
Wir rannten also, so schnell uns unsere Füße trugen, durch den Korridor, das Foyer und die Eingangshalle. Meine größte Sorge war, daß es die Felsbrücke möglicherweise nicht mehr gab und wir einen anderen Weg ins Freie finden mussten, doch meine Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht.<br>
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Glücklicherweise.
  
 
==Fehlende Seiten==
 
==Fehlende Seiten==

Version vom 16. Oktober 2014, 00:20 Uhr

MeL

Körper

Hass

Vergangenheit

Liebe

Intermedium

Gegenschlag

Geist

Zukunft

Gegenwart Part 1

Gegenwart Part 2

Der Grenzübertritt war Dank Ators Connections kein größeres Problem. Wir konnten sogar unsere Ausrüstung ohne Probleme transportieren, da er irgendeinen Deal hatte, der es ihm erlaubte, mit seinem Ares Dragon die Grenze zu passieren.
Wir hatten alles in Wanderrucksäcke verpackt, und es gelang uns, den Patrouillen des Salish-Shidhe Council auszuweichen, die ausgeschickt worden waren, um allzu neugierige und unbedarfte Wanderer und Schaulustige vom Vulkan fernzuhalten. Zwei Mal musste uns Ator mit einem Unsichtbarkeitszauber vor überfliegenden Drohnen verbergen, aber nun standen wir am Eingang zu den Höhlen, die sich bei dem Ausbruch von 2017 gebildet hatten.
“Ob ihr es glaubt oder nicht”, bemerkte der Schamane verwundert, “aber aus diesen Höhlen sickert Mana.” Ator hatte auf Astralsicht gewechselt, um einen Eindruck der Astralebene zu erhalten und eventuell patrouillierende Geister aufzuspüren. “Aber sonst ist es hier verhältnismäßig ruhig. Ich hätte mehr erwartet. Lasst uns dem Mana folgen.”
Da niemand von uns einen besseren Vorschlag hatte, überließen wir Ator die Führung und begaben uns in den Berg.

Wenige Meter hinter dem Höhleneingang holten wir unsere Ausrüstung aus den Rucksäcken und machten uns gefechtsbereit. Jack legte seine Sicherheitspanzerung an und machte seine Panther feuerbereit, während der Rest von uns Panzerjacken und deutlich kleinere Kaliber bevorzugte.
“Alter”, keuchte JD im Bemühen, nicht ins Straucheln zu kommen. “Nach unserem Ausflug an den Amazonas hättest du deine Panzerung ruhig mal reinigen können!”, er war derjenige, der aussprach, was jedem von uns durch den Kopf ging, nachdem wir der olfaktorischen Folter zum Opfer gefallen waren, die von Jack ausging. Jacks Antwort bestand nur aus dem erhobenen Mittelfinger der linken Hand.

Wahrscheinlich wären wir Stunden durch die Höhlen geirrt, wäre Ator nicht der Spur des Manas gefolgt, die uns schließlich zu einer scheinbar natürlich entstandenen Felsbrücke über einem mehrere hundert Meter tiefen Abgrund führte. Heiße Winde schlugen uns entgegen, und ein Blick in den Abgrund offenbarte einen Lavastrom, der dort unten träge floß. Ator ließ sich nicht beirren und setzte seinen Weg fort. Da die “Brücke” nur einen knappen Meter breit und ohne Geländer geliefert worden war, blieb uns nichts anderes übrig, als sie brav hintereinander zu passieren. Ator ging, gefolgt von mir, voran, dann kam JD, und Jack bildete den Abschluss.

Wir waren vielleicht 10 Meter weit gekommen, als uns Getrampel hinter uns herumfahren ließ. Während JD und ich fast zeitgleich unsere Drehung vollendeten und eine rötlich-metallen glänzende, haarlose Kreatur auf Jack zurasen sahen, schien dieser deutliche Schwierigkeiten zu haben, mit der Panther im Anschlag seinen Körper die notwendigen 180° rotieren zu lassen. Fast wirkte es, als bewegte er sich in Zeitlupe. Das Viech erreichte ihn, als er dreiviertel des Weges zurückgelegt hatte und schlug mit seiner Pranke, die nur unwesentlich kleiner war, als das, was Jack seine Hand nannte, nach dem Troll. Die Wucht des Schlages ließ ihn taumeln, und er musste mit beiden Händen Halt im Felsen suchen, um nicht in den Abgrund zu segeln.
Nicht gut für das mit Hörnern auf dem Kopf versehene Viech. Die zuvor durch Jack verstellte Schußbahn wurde so frei. Mit zwei Kugeln in die Brust, gefolgt von einer Salve aus meiner UrbanCombat, stoppten JD und ich den Angriff des häßlichen Monsters. Der Körper klappte zusammen und wurde von seinem verbleibenden Schwung über den Rand der Brücke getrieben. Schlaff trudelte der gegen das Licht der glühenden Lava weit unter uns dunkel scheinende Körper in die Tiefe, bis er im grellroten Kontrast unsichtbar wurde. Jack richtete sich auf und stellte zufrieden fest, daß die Panther noch an seinem Schultergurt hing.
“Netter Versuch, Monster!” Er zog hoch und spuckte dem Wesen noch einen ziemlich ekligen letzten Trollgruß hinterher.
“Immerhin hat es gereicht, uns die Klingel drücken zu lassen” zischte Ator verärgert. “Oder glaubt ihr, die Schüsse sind überhört worden?”
“Mach mal halblang, Ator”, wagte ich den Versuch, ihn zu beruhigen. “Was hätten wir denn tun sollen?” Auch wenn ich wusste, daß unsere Reaktion sicherlich nicht unbemerkt geblieben war, hätte ich immer wieder so reagiert, denn das Risiko, einen von uns an den Lavastrom zu verlieren, war mir in jedem Fall zu groß.
Ator ließ es darauf beruhen, und wir erreichten ohne weitere Konversation oder Unterbrechungen die andere Seite der Brücke.

Waren die Höhlen, durch die wir bisher gegangen waren, eindeutig natürlicher Herkunft, so schien sich hier jemand die Mühe gemacht zu haben, einen schlauchartigen Gang anzulegen, dessen Wände eine edelsteinartige Oberfläche aufwiesen.
“Ich bin mir ziemlich sicher, daß dieser Gang mittels Magie in den Fels getrieben wurde”, gab Ator seine Erkenntnisse zum Besten. “Hier ist ein sehr mächtiger Hüter eingewoben. Ich bin mir nicht sicher, ob ich jenseits des Eingangs noch Geister beschwören kann. Jedenfalls blockiert der Hüter meine astralen Sinne. Vielleicht sollte jemand von euch vorgehen.” Er sah uns fragend an.
JD und ich wechselten einen kurzen Blick, aber wir waren uns einig, daß wir keinesfalls Jack vorgehen lassen wollten.
Nach kurzer Kalkulation entschied ich mich. “Okay, ich gehe vor. Jack, du schützt Ator, sollte es Probleme geben, und JD macht die Nachhut. Einwände?”
“Immer muss ich den Babysitter machen, Silencio. Irgendwie finde ich das nicht fair”, maulte Jack.
“Noch so’n Spruch und ich schick dich dem Viech hinterher”, empörte sich Ator mit mühsam unterdrückter Wut.
“Hey, kommt mal wieder runter” mischte ich mich ein. “Am Ende wollen wir das hier alle nur heil überstehen. Jack, wenn du ‘n Problem mit meiner taktischen Einteilung hast, können wir das gern ein anderes Mal diskutieren.” Ich hatte echt keinen Nerv, hier und jetzt mit unserem Riesenbaby eine Grundsatzdiskussion zu beginnen.
“Wir sind alle ganz schön angespannt”, versuchte JD, die Situation zu beruhigen.”Vielleicht gehen wir einfach weiter und unsere Probleme lösen sich von ganz allein.”

Wir folgten also dem Tunnel, der schließlich leicht bergauf führte, um dann unerwartet in einem großen Raum zu enden. Die bestimmt fünf Meter hohen Wände und Decken wirkten wie aus Marmor, durchsetzt mit feinen Goldadern. Auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes, etwa sechs Meter entfernt, sahen wir eine hohe aus Bronze und geschwärztem Metall gefertigte Tür und davor eine Vierergruppe bekleideter Waldteufel.
So langsam kam ich mir wie in einem schlechten Fantasy-SIM vor.
Tatsächlich unterschied sich die Bekleidung der vier nur in der Farbgebung. Zwei von ihnen, “Smaragdgrün” und “Grau” hielten Tabletts mit Erbeeren und irgendeinem Prickelwasser, während die anderen beiden, “Türkis” und “Braun”, uns mit leeren Händen, aber breit grinsend begrüßten.
“Bereitet haben wir Getränke von feinem Champagner und Geschmack von erlesenen Erdbeeren für unsere Gäste”, sprach Braun uns mit einem mir unbekannten Akzent an. “Willkommen in Althain. Kommen Sie, mein Herr erwartet Sie im Inneren.”
Profi hin oder her, jetzt klappte meine Kinnlade runter.
Jack schob sich an mir vorbei und griff nach einem der Champagnergläser.
“Mach den Mund zu und genieß es einfach!”, kicherte Ator nun ebenfalls grinsend.
“Die Gläser sind zwar zu klein, aber die Brause fetzt!” Jack hatte drei der Gläser bereits geleert und rülpste ungeniert beim Sprechen.
“Halt dich ein bischen zurück, Großer!” JD kam mir mit der Ermahnung um eine Sekunde zuvor. “Es gibt vielleicht doch noch was für dich zu tun.”
Entweder hatten die anderen keine Ahnung, oder es interessierte sie einfach nicht, daß wir hier gerade von einer Gruppe Hominider auf Primatenniveau mit Champagner und warmen Worten begrüßt wurden.
Ich straffte mich und versuchte, energisch auszusehen. “Okay, ich weiß zwar nicht, wer euer Herr ist, aber wir sind hier, um nach dem Rechten zu schauen.” Währenddessen schaute ich von einem der Waldteufel zum nächsten, da ich ja nicht wußte, wer der vier der Wortführer sein würde.
“Dann folgt mir!” erwiderte Braun und drehte sich um. Während er die offenbar sehr massive Tür langsam öffnete, bot Türkis an, unsere Mäntel zu nehmen, die wir sicher hier nicht bräuchten. Wir lehnten dankend ab. Und ich wunderte mich ein wenig, daß wir nicht gebeten wurden, unsere offen getragenen Waffen abzugeben. Es schien so, als würden diese von den Waldteufeln komplett ignoriert.

Die Tür führte in ein großes Foyer mit einer nach oben führenden Wendeltreppe. Aus Deckenfenstern schien Tageslicht in den Raum zu fallen, was seltsam war, denn meiner Einschätzung nach sollten wir uns nach wie vor tief im Inneren des Mount St.Helens befinden.
Der gesamte Raum war altertümlich eingerichtet. An den Wänden hingen Gemälde von Personen aus einer anderen Zeit, und auf mehreren kleineren Säulen standen filigrane Kunstobjekte.
Ator gab ein leise pfeifendes Geräusch von sich.
Eine doppelflüglige, goldverzierte, weiße Tür direkt uns gegenüber schien das Ziel von Braun zu sein, der weiter voranschritt, während die anderen drei hinter uns blieben. Dies verleitete Jack immer wieder, einen Blick über die Schulter zu werfen. Offensichtlich traute er den Waldteufeln nicht.
Hinter der Tür schloß sich ein kurzer Flur an, der links und rechts jeweils eine Tür aufwies und nach wenigen Metern an einer weiteren Tür endete. Grauer Marmor diesmal, aber ich konnte den Gedanken nicht abschütteln, daß die Gemälde, die auch hier an den Wänden hingen, für den einen oder anderen feuchten Traum eines Kurators würden sorgen können.
Braun öffnete eine der seitlichen Türen und bat uns einzutreten. Der Kontrast hätte nicht größer sein können. Schwarze und weiße Möbel modernster Machart, eine gut bestückte Snack- und Getränkebar, sowie ein Audio-Video-System, das keine Wünsche offen ließ, hießen uns willkommen zurück im 21. Jahrhundert.
“Mein Herr ist im Moment verhindert und bittet Sie zu warten, bis er es nicht mehr ist.” entschuldigte sich Braun bei uns, bevor er sich aus dem Raum zurückzog.
Ziemlich verdutzt nahmen wir Platz und bemerkten erst dann die Anwesenheit von Grau, der uns nun ansprach: “Ich bin ihr Diener. Was sind ihre Wünsche?”

Ich schaute Ator fragend an. “Haben wir irgendwelche Wünsche? Und wieso grinst du die ganze Zeit so?”
“Hmm…” Ators Stimmung schien durch nichts getrübt werden zu können. “Wünsche hätte ich ne Menge, aber ich glaub' nicht, daß diese Burschen hier die richtigen sind. Laßt uns den Kleinen einfach ignorieren. Ich glaube sie sind eh nur dafür da uns zu blenden, bzw. aufzuhalten.”
“Wie meinste das denn jetzt?”, fragte Jack, der gerade damit beschäftigt war, eine Pfundpackung Erdnüsse zu zerkauen. Seine Panther hatte er zwar nicht abgestellt, aber er schien den Waldteufel nicht für eine ernsthafte Bedrohung zu halten.
“Naja”, er räusperte sich, “ich meine, hier drin wird ne Menge Hokuspokus veranstaltet und zwar sinnbildlich wie wörtlich gesprochen. Der Astralraum hier ist so dicht, daß mir selbst astrale Wahrnehmung schwer fällt. Und das ganze Ambiente hier ist doch ein Durcheinander verschiedener Stile, die eindeutig vor unser aller Geburt in Mode waren. Dazu die vier Dudes hier”, er deutete lässig mit dem Daumen auf Grau, “die aussehen, als wären sie einem Fantasytrid entsprungen.” Endlich sprach mal einer aus, was mir die ganze Zeit schon durch die Birne ging.
“Okay” warf ich ein, “aber das erklärt nicht dein Gegrinse.” Ich warf einen Blick auf Grau, der unserem Gespräch nur bedingt zu folgen schien und den Eindruck machte, darauf zu warten, endlich einen unserer Wünsche zu erfüllen.
“Also ich glaub ja, das is' 'ne reine Übersprungshandlung von Ator.” JD konnte sich diese eine Spitze nicht verkneifen. “Wenn ich das richtig sehe, hat Mr. Almighty Alligator die Hosen gestrichen voll. Spätestens seit wir vorhin diesen Harlekin-Kaspar getroffen haben.”
Der so Verhöhnte drehte sich zu dem Ork um und fixierte ihn. “Auch wenn du dafür eigentlich eins in die Fresse verdienst, JD, hast du nicht ganz unrecht. Ich werd das Gefühl nicht los, daß wir hier verarscht werden und am Ende selbst gar nichts ausrichten können.” Er räusperte sich erneut. “Mal im Ernst, vor ein paar Stunden dieses vermeintliche Ritual, dann ein Vulkanausbruch und jetzt ein geheimes Refugium mit Fantasytridwächtern im Mount St. Helens. Was jetzt eigentlich nur noch fehlt, ist so'n feuerspeiender Drache, der aus seinem tausendjährigen Schlaf erwacht.” Im Nachhinein schien das einer dieser prophetischen Momente unseres Schamanen gewesen zu sein, für die wir ihn zugleich hassten und liebten. Und es wäre mir durchaus lieb gewesen, wenn er sich dieses eine Mal doch geirrt hätte.
“Schön”, seufzte ich, “letzteres wollen wir mal nicht hoffen. Aber was machen wir jetzt und wieso zeigen diese Jungs hier kein Interesse an unseren Waffen?” Mein fragender Blick in die Runde blieb unbeantwortet.

Timecode 25.01.2054 / 13:20:00

Nachdem wir uns entschlossen hatten, zunächst einmal abzuwarten, hatte auch ich mir ein Bier gegönnt. Jack hatte die Erdnüsse mit einer Zweiliterflasche Cola runtergespült und JD sich ein Wasser genommen. Nur Ator schien kein Interesse an einer Erfrischung zu haben, obgleich ihn die Hitze im Berg nahe dem Lavastrom ähnlich mitgenommen haben musste wie den Rest von uns.
Grau blieb die ganze Zeit über an Ort und Stelle wie ein unaufdringlicher Diener, der nur darauf wartet, seinem Herrn einen Wunsch erfüllen zu können.
Nach einer halben Stunde, in der sich absolut nichts tat, riß mir der Geduldsfaden.
“Hey, was ist jetzt mit deinem Herrn? Wir sind nicht zum Rumsitzen her gekommen”, fuhr ich den mit nur neunzig Zentimetern Körpergröße selbst im Vergleich zu mir kleinen Waldteufel an.
“Ich weiß es nicht, aber ich werde nachschauen gehen, wenn ihr es wünscht”, antwortete Grau dienstbeflissen.
“Ja, wünschen wir”, fuhr ich ihn unwirsch an.
“Genau, schwing die Hufe” grölte Jack dazwischen. “Und am Besten bringst du uns gleich zu ihm.” Er wurde offensichtlich nun auch etwas zappelig.
“Einen Moment.” Grau verbeugte sich und verließ den Raum.
“Vielleicht sollten wir ihm einfach folgen”, schlug Ator vor und war schon an der Tür, bevor ich etwas erwidern konnte.

Wir folgten Grau durch den Korridor in eine Halle, die nochmal ein gutes Stück größer als das Foyer, aber ebenso wie dieses mit Kunstwerken unterschiedlichster Herkunft ausgestattet war. Besonders ins Auge fiel ein riesiger Wandteppich, der eine Stadt aus Kristall und Gold darstellte und sich nahezu über die gesamte unserem Eingang gegenüberliegende Wand zog.
Im Stillen registrierte ich drei weitere Türen und zwei Durchgänge.
Wie groß war diese Anlage eigentlich? Und wie hatte jemand das alles errichten können, ohne Aufsehen zu erregen?
Wir folgten Grau durch den rechten der beiden Durchgänge und gelangten über einige Stufen zu einer weiteren Halle. Diese war bestimmt noch einmal doppelt so groß wie jene, durch die wir gerade hindurch waren. Der gleiche helle Marmor kleidete die Wände, war aber scheinbar von mehr Goldadern durchzogen. Von der Decke hing in etwa zehn Metern Höhe ein riesiger Kronleuchter aus Gold und Kristall, und ein über zwei Treppen erreichbarer Balkon mit nur kniehohem, aber reich verziertem Geländer, fiel mir sofort ins Auge.
Die Wände waren mit zahlreichen Nischen versehen, in denen scheinbar lebensgroße Statuen verschiedener Personen und mythologischer Wesen aus schwarzem und grauen Marmor standen. Eine davon fiel mir auf, erinnerte sie mich doch stark an unseren Auftraggeber, was aber möglicherweise auch nur an der Gleichartigkeit der Gesichtsbemalung lag.
Der Boden schien aus poliertem Marmor mit dunklen Intarsien zu bestehen. In der Mitte des Raumes befand sich exakt das, was ich mir unter einem Ritualkreis vorstellte. Ein Achteck aus Silber und dunklem Metall, versehen mit verschiedensten Symbolen und Schriftzeichen. Im Zentrum des Achtecks lag eine umgestoßene Feuerschale mit ehemals glühenden Kohlestücken. Daneben ein Elf, auf dem Rücken liegend, gehüllt in eine weiße Tunika, Hose und schwarze Lederstiefel, mit offenen, aber blicklosen Augen: Ehran?

“Ator?” Ich brauchte eine Bestätigung, daß hier kein magischer Hokuspokus mehr lief, bevor ich bereit war, mich der liegenden Gestalt zu nähern.
“Hier ist alles ruhig. Selbst die Hintergrundstrahlung ist hier geringer als im Rest der Anlage. Seltsam eigentlich…” antwortete Ator mit einem leichten Zögern in der Stimme.
“Wie es aussieht, kommen wir zu spät!”, stellte JD fest, der mit wenigen Schritten zu dem offensichtlich toten Elf geeilt war. “Keine Lebenszeichen.”
“Irgendwas stimmt hier nicht. Bei dem, was hier abgegangen ist, müsste ich etwas spüren können.” Ator schien sichtlich beunruhigt. Plötzlich weiteten sich seine Augen, und ich folgte seinem Blick.
In der Tür, durch die wir gerade gekommen waren, stand Harlekin, unser Auftraggeber. In sichtlich düsterer Stimmung und ohne uns eines Blickes oder Wortes zu würdigen, ging er an uns vorbei direkt zu dem leblosen Elf. Nach kurzer Betrachtung kniete er sich nieder und legte seine linke Hand auf den Kopf des Toten. Nach unendlichen Sekunden des Schweigens sprach er uns an: “Er ist, wie ihr ihn gefunden habt?”
Ein stummes Nicken unsererseits ließ ihn wieder verstummen. Dann erhob er sich, legte den Kopf in den Nacken und schrie. Ich kann bis heute nicht sagen, was er schrie, aber es klang nach einer Mischung aus Frustration, Wut und Trauer. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, und die Knöchel traten weiß hervor.
Ich schaute zu Ator. Irgendwie hatte ich die Sorge, Harlekin würde in seinem momentanen Gefühlschaos die Kontrolle verlieren und hier gleich alles in Schutt und Asche legen. Nicht daß ich eine Idee hätte, wie dies durch uns zu verhindern sei, aber ich wollte bereit sein.
Ator bedeutete mir jedoch lediglich, die Ruhe zu bewahren, als plötzlich Braun in der Halle erschien. Eiligen Schrittes näherte er sich der leblosen Gestalt zu unseren Füßen.
“Meister, es kamen Männer aus dem Land der Verheißung. Sie warten im modernen Raum auf euch.” Anscheinend den Zustand seines Meisters komplett ignorierend, verschwand Braun auf demselben Wege, auf dem er gekommen war.
Harlekin starrte Braun kurz hinterher und begann leicht zu lächeln: “Nun, für den Versuch hat er einen Punkt verdient.” Er wandte sich uns zu. “Es sind wahrscheinlich Schläger von Ehran. Kümmert euch drum!”

“Silencio, entweder du klärst den Grashalmknicker jetzt mal auf, was Sache ist – oder ich mach das!”, platzte es aus Jack heraus, der seine Panther nun ohne das geringste Zittern auf Harlekin ausrichtete. Harlekin jedoch schien dieser Ausbruch in keinster Weise zu interessieren. Er hob nur die rechte Augenbraue und sah mich fragend an.
“Tja, Harlekin”, ich kratzte mich am Hals, “was mein Chummer zum Ausdruck bringen will und was auch mir unter den Nägeln brennt: Erstens, wir sind noch nicht bezahlt worden. Zweitens, wir lassen uns nicht gern drohen. Und wir haben absolut keinen Bock, für lau die Marionetten von dir oder sonstwem zu sein. Was also sollte uns davon abhalten, dich wegzupusten, uns hier unter den Nagel zu reißen, was wir kriegen können und nen Abflug zu machen?”
“Selbst wenn ich dies zuließe, würdet ihr nicht weit kommen”, war Harlekins lapidare Antwort, bevor er sich wieder dem leblosen Körper zuwandte. “Ich frage mich…”, begann er ruhig.
Weiter kam er nicht, denn die Tür zur großen Halle schwang plötzlich auf, und ein in uralte Duellkleidung gekleideter sowie mit zwei Rapieren bewaffneter Elf tauchte in der Öffnung auf: Ehran!

Er betrat den Raum und sagte etwas, das wie:”Te meravilhas, Har’lea’quinn? Que’t destrui e’t coton?” klang. Harlekin reagierte darauf mit einem lauten, freudlosen Lachen.
“Ich frage mich, ob dein Geist genauso tot ist wie dieses Faksimile hier, Eh’he’ran. Diese verdammte Sprache ist es ganz sicher. Sollen wir es herausfinden?” Harlekin griff sich ans Ohr und entfernte es, um es scheppernd zu Boden fallen zu lassen. “Wenn es beendet werden soll, dann so, wie es begonnen hat. Du”, er deutete auf Jack,”bist Ehrans Sekundant und du, Freund der Stille”, er deutete auf mich,”hast die Ehre, der meine zu sein.” Ich fühlte mich etwas in meiner Souveränität eingeschränkt, denn ich hatte nirgendwo eine Nachfrage, ob ich damit einverstanden war, gehört.
Ehran deutete dem verdutzten Jack, etwa einen Meter hinter ihm in Position zu gehen.
“Ihr habt echt 'ne Vollmeise, wenn ihr glaubt, ich mach hier 'nen anderen als den Abzugsfinger krumm, solange ich nicht bezahlt worden bin!”, stellte Jack sich stur.
Bevor ich etwas erwidern konnte, mischte sich Ator ein, der wieder diese seltsame grünliche, echsenhafte Hautfarbe bekommen hatte: “Jack, Silencio… auch wenn es mir nicht gefällt, glaube ich, im Moment ist es das Beste, wir folgen einfach ihren Anweisungen.”
Etwas verunsichert schaute ich Ator fragend an, doch er schien alles gesagt zu haben.
Ein Blick zu JD zeigte mir, daß er seinen Predator zwischen den beiden Elfen hin- und herwandern ließ, offensichtlich nicht bereit, eine Entscheidung zu treffen. Ich steckte die UrbanCombat ein. “Okay, Jack, mach’s einfach!”
“Aber Silencio….wir sind in der Überzahl, wir sind besser bewaffnet…” versuchte Jack zu feilschen.
Ein strenger Blick der beiden Elfen ließ ihn verstummen und er nahm die ihm zugewiesene Position ein.
“So sei es!”, rief Ehran und warf Harlekin eines der beiden Rapiere zu, welches dieser geschickt aus der Luft fing, um es grüßend vors Gesicht zu halten.
“Sie sollten gehen.” Harlekin sah Ator und JD an. “Ihre Verwicklung in die Geschehnisse ist zu Ende!”
Ator schüttelte verneinend den Kopf. “Wir gehen gemeinsam”, er zögerte eine Millisekunde, “oder gar nicht!”

Die beiden Elfen nahmen eine klassische Fechtpose ein, zumindest erschien es mir so, und näherten sich einander.
“Ich denke, ich nehme das andere auch noch”, sagte Ehran mit spöttischem Unterton in der Stimme, während er das Rapier zweimal zischend durch die Luft schwingen ließen.
Harlekins Antwort bestand aus einem Lachen und einem plötzlichen Ausfall.
Was nun folgte, war eine Lehrstunde in Fechtkunst. Die beiden Kontrahenten nahmen sich offensichtlich nichts und waren beide Meister in dieser Waffengattung. Der Kampf führte beide durch den gesamten Raum, wobei sie keinerlei Rücksicht auf Einrichtungsgegenstände oder Personen nahmen. Schließlich erschien eine Kugel aus goldenem Licht um die beiden herum, welches diese aber in keinster Weise zu beeinflussen schien. Sie setzten ihren Kampf die Treppe hinauf auf den Balkon fort. Dort gelang es schließlich Harlekin, mit einer Reihe von Attacken und Finten Ehran in die Enge zu treiben. Mit einem überraschenden Hieb trennte er Ehran das linke Ohr ab, ging zwei Schritte zurück und hielt das Rapier, wohl als Zeichen des Endes des Kampfes, abermals vor sein Gesicht.
Schreiend vor Schmerz und Wut griff Ehran an seinen blutenden Kopf, während Harlekin vor Freude lachte.
“Du hast nicht gewonnen! Wir sind lediglich im Gleichstand!”, versuchte der Verletzte seine Ehre zu verteidigen.
Harlekin sparte sich jedes weitere Wort. Er wandte sich Ehran zu, verbeugte sich einmal kurz und schien ihm einen Kuß zuzuhauchen, warf Ator das Rapier zu und trat einen Schritt zurück.
Dann geschah etwas, was weder Ator noch sonst jemand von uns erwartet hatte und eigentlich unmöglich sein sollte: Harlekins Aussehen veränderte sich, als würden wir ihn alle durch ein Prisma betrachten – und dann verschwand er einfach.
Ehran heulte erneut auf, ob aus Wut oder Schmerz, konnte ich nicht sagen und verschwand dann auf gleiche Art und Weise.

Wir brauchten alle ein paar Sekunden, um das gerade Erlebte zu verarbeiten. Dann war es Ator, der als erster die Worte wieder fand.
“Also… wenn ich das richtig sehe, sind wir gerade bezahlt worden.” Beinah andächtig sprach er diese Worte, während er den kunstvoll mit Edelsteinen besetzten Griff des Rapiers begutachtete.
Plötzlich vernahmen wir alle ein dumpfes Rumpeln und spürten ein leichtes Zittern des Untergrundes.
“Und vielleicht sollten wir jetzt zusehen, daß wir hier wegkommen”, fügte er deutlich nüchterner hinzu. “Ich weiß zwar nicht genau, was hier abgegangen ist, aber ich glaube, es hat beide einiges an Konzentration gekostet, und einige von Ehrans aufrechterhaltenen Zaubern sind den Bach runter.” Sein Gesicht zeigte wieder diesen besorgten Ausdruck, der gemeinhin zu Vorsicht oder Eile mahnte. Diesmal schien Eile der größere Faktor zu sein.
“Dann lasst uns schnell Land gewinnen. Ich hab' keine Lust, am Ende doch noch von diesem Vulkan gegrillt zu werden”, gab ich meine Zustimmung.
Wir verließen eiligst die große Halle, als vor uns ein Geräusch erklang, dass mich an eine Abrissbirne erinnerte, die ihren Job macht.
Wir erreichten die kleinere Halle, durch die wir gekommen waren, genau in dem Moment, als die Ursache der Geräusche sichtbar wurde. Der Kopf eines westlichen Drachen reckte sich von unten durch den Hallenboden.
Ich zögerte. Mir war klar, daß unsere Chancen, hier heil und ohne Grillaroma herauszukommen, durch diese unerwartete Wendung der Situation mit jeder verstreichenden Millisekunde dramatisch schrumpften, und meine sich auf der Suche nach einem Ausweg überschlagenden Gedanken wurden von einer dumpfen Wolke beginnender Panik überlagert.
An diesem Punkt zeigte sich, daß man sich manchmal auch zu viele Gedanken machen kann. Dieses Problem hatte unser Troll fürs Grobe ja nun beileibe noch nie gehabt, und dieser Umstand sollte uns das Leben retten.
Während ich noch mit dem Bild beschäftigt war, daß Ator unseren Barbecue-Tod ziemlich exakt vorausgeahnt hatte, drängte sich Jack einfach an mir vorbei, rammte dem Drachen die Pantherkanone direkt zwischen die Augen und drückte ab. Begleitet von einem dröhnenden Wummern verteilten sich Schädelsplitter und Gehirnmasse des bereits auf Leistung schaltenden Drachen durch den Raum. Der riesige Körper des Schuppentieres verschwand wieder in der Öffnung des Bodens, aus dem er erst wenige Sekunden zuvor hervorgebrochen war. Dann überschlugen sich die Ereignisse noch schneller.
Eine Tür wurde von unbekannten Elfen aufgerissen.
Ator wirkte einen Zauber.
JD feuerte auf die Elfen, die zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt auftauchten. Ehrans Schläger, hatte Harlekin behauptet. Garantiert nicht unsere Freunde, hieß das. Also taten wir, was zu tun war.
Ich schloß mich JD an und feuerte zwei Salven in Richtung der Neuankömmlinge.
Ators Zauber nahm in Form eines Feuerballs inmitten der Elfen Gestalt an und bereitete ihnen ein endgültiges heißes, unangenehm nach Brand stinkendes Ende.
Wir nahmen uns nicht die Zeit, sie näher zu untersuchen. Wir hatten hier nichts mehr verloren, waren bezahlt worden und wollten nun nur noch unsere Haut retten. Wer konnte schon sagen, was für Überraschungen hier noch auf uns warteten.
Wir rannten also, so schnell uns unsere Füße trugen, durch den Korridor, das Foyer und die Eingangshalle. Meine größte Sorge war, daß es die Felsbrücke möglicherweise nicht mehr gab und wir einen anderen Weg ins Freie finden mussten, doch meine Befürchtungen bewahrheiteten sich nicht.
Glücklicherweise.

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